Investieren statt kompensieren: Wie Deutschland seine EU-Klimaziele effizient erreichen kann
Die absehbare Verfehlung der Ziele der EU-Klimaschutzverordnung (ESR) könnte Deutschland bis 2030 bis zu 34 Milliarden Euro kosten. Die Bundesregierung hat im Zuge der Haushaltsverhandlungen die Chance, mit Investitionen in die Modernisierung von Wirtschaft, Gebäudebereich und Verkehrssektor den Klimaschutz zu stärken und so hohe Ausgleichszahlungen für den Ankauf von Emissionsrechten zu vermeiden.
Mit ambitionierten Maßnahmen bleibt das nationale 2030-Klimaziel für Deutschland zwar erreichbar, doch das 2045-Ziel und die Erfüllung der EU-Klimavorgaben liegen dem heutigen Bericht des Expertenrats für Klimafragen zufolge in weiter Ferne: So dürfte sich die zu erwartende Klimaschutzlücke im Rahmen der EU-Klimaschutzverordnung (ESR) bis 2030 auf mindestens 224 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente summieren. Diese Lücke durch den Zukauf von Emissionsrechten anderer Mitgliedstaaten auszugleichen, könnte Deutschland teuer zu stehen kommen. Zwar wird der Preis für die Zertifikate bilateral zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelt und ist daher nicht bekannt. Orientiert man sich jedoch an der Kostenspanne für Zertifikate im derzeitigen Emissionshandel, dem ETS 1, könnte der Preis für ein Emissionsrecht zwischen 60 und 150 Euro betragen. Somit müsste Deutschland bis 2030 etwa 13 bis 34 Milliarden Euro ausgeben, um die Überschreitung auszugleichen.
„Der Preis für den Ausgleich der Zielverfehlung ist hoch und bringt keinen Mehrwert. Dagegen könnte Deutschland durch ein Umlenken von Investitionen in grüne Technologien gleich dreifach profitieren: Indem der Klimaschutz gestärkt, Haushaltsrisiken verringert und eine Modernisierung von Wirtschaft und Infrastruktur eingeleitet werden”, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks. „Durch die Bereitstellung von ausreichenden Haushaltsmitteln, etwa zum Anreiz privater Investitionen, kann Deutschland seine EU-Klimaziele effizient erreichen und zugleich eine starke Rolle in Europa spielen.”
Ein aktuelles Agora-Factsheet zur EU-Klimaschutzverordnung zeigt beispielhaft, wie die für Ausgleichszahlungen benötigten öffentlichen Mittel sinnvoller eingesetzt werden können: Bei einem niedrigen Zertifikatepreis entspräche das zum Beispiel den nötigen Mitteln für zusätzliche Klimaschutzverträge in der Industrie. Die 34 Milliarden Euro bei einem hohen Zertifikatepreis reichen beinahe für eine Eigenkapitalbeteiligung des Bundes an Energieinfrastrukturunternehmen, was zu dauerhaft niedrigen Netzkosten beitragen könnte.
Basierend auf der Agora-Analyse „Investitionen für ein klimaneutrales Deutschland“ gibt das Factsheet Empfehlungen für eine zielgerichtete Investitionsstrategie, um Deutschland wettbewerbsfähig und klimaneutral aufzustellen. So fällt der Großteil der notwendigen Investitionen in den kommenden Jahren ohnehin an, durch die üblichen Erneuerungs- und Modernisierungszyklen der Wirtschaft. Diese „Ohnehin-Investitionen“ gilt es in saubere Technologien und Infrastrukturen umzulenken. Zugleich können öffentliche Gelder gezielt genutzt werden, um private Investitionen in Klimaschutztechnologien anzureizen.
In einem ersten Schritt schlägt Agora daher vor, mehr öffentliche Gelder in Infrastrukturen von Bund, Ländern, Kommunen und deren Unternehmen zu investieren. Zweitens braucht es staatliche Unterstützung, um Wirtschaftlichkeitslücken bei privaten Investitionen zu schließen, zum Beispiel bei der Elektrifizierung industrieller Wärmeerzeugung. Drittens sollten übermäßige Kostenbelastungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen vermieden bzw. abgefedert werden.
Nach Paragraph 9 des aktuellen Klimaschutzgesetzes ist die die Bundesregierung dazu verpflichtet, innerhalb des ersten Regierungsjahres ein Klimaschutzprogramm vorzulegen, mit dem das Erreichen der Klimaziele 2030 und 2040 sichergestellt wird. Agora Energiewende hatte dazu Mitte März im Papier „Kurs auf Zielerreichung“ Maßnahmenvorschläge für eine ausgewogene Klima- und Energiepolitik in der kommenden Legislaturperiode veröffentlicht.
„Der Bericht der Expertenkommission unterstreicht einmal mehr: Es ist zentral, dass die Bundesregierung im anstehenden Haushaltsentwurf eine ausreichende Finanzierung für einen wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Wirtschaftsstandort sowie Investitionen in Zukunftstechnologien verankert. Das ist die Voraussetzung, um Planungssicherheit für mehr Privatinvestitionen von Unternehmen und Haushalten zu schaffen“, sagt Markus Steigenberger.
Das Factsheet “Wie kann Deutschland effektiv seine EU-Klimaziele erreichen?“ berechnet die Kosten für die Überschreitung der Emissionsminderungsziele bis 2030. Es ist über die Website von Agora Energiewende einsehbar.
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