Klimafreundliches Heizen und Wohnen – wie die Wärmewende für alle bezahlbar wird
Die Bundesregierung kann durch eine Anpassung von Klimaschutzmaßnahmen bei Wohngebäuden mit dem gleichen Geld deutlich mehr CO₂-Einsparungen erreichen als bisher – und gleichzeitig Haushalte mit kleinen Einkommen gezielter bei der Wärmewende unterstützen. Das zeigt eine neue Studie von Agora Energiewende. Vorausgesetzt: Die 2025 im Haushalt veranschlagten Fördermittel stehen weiterhin zur Verfügung.

Berlin, 30. Juli 2025. Deutschland kann bis 2045 klimaneutral heizen und wohnen – ohne die sozialen Spannungen auf dem Wohnungsmarkt zu verschärfen. Beides gelingt allerdings nur, wenn die Bundesregierung die bisher veranschlagten Fördersummen auch weiterhin für die Wärmewende bereitstellt und gezielter verteilt – und nicht, wie im Haushaltsentwurf 2026 vorgesehen, Kürzungen vornimmt. Wie die bisherigen Haushaltsmittel deutlich wirksamer für den Klimaschutz eingesetzt werden können, zeigt eine neue Studie von Agora Energiewende. Mithilfe eines agentenbasierten Modells hat die Denkfabrik Investitionsentscheidungen von Hauseigentümer:innen unter verschiedenen Rahmenbedingungen simuliert. Das Ergebnis: Ein ausgewogener Mix an Klimaschutzmaßnahmen sorgt dafür, dass Hausbesitzerinnen und -besitzer bis 2040 den Großteil der erforderlichen Investitionen in klimaneutrale Heizsysteme und Gebäudesanierungen tätigen. Dadurch können bis 2030 zehn Millionen Tonnen CO₂ zusätzlich eingespart werden und der Sektor wird bis 2045 klimaneutral. Gleichzeitig werden Verbraucherinnen und Verbraucher unabhängig von fossilen Brennstoffen und können sich so gegen Preissprünge bei Heizöl und Gas absichern. Laut der Studie sind vier Hebel zentral, um eine sozialverträgliche Wärmewende zu erreichen: Der Ausbau von Strom- und Wärmeverteilnetzen – parallel zum schrittweisen Ausstieg aus den Gasverteilnetzen, die gezielte Förderung für die Sanierung sehr ineffizienter Gebäude und von Hauseigentümer:innen mit wenig Kapital, klare Vorgaben für den Heizungstausch, und ein attraktives Strom-Gaspreis-Verhältnis.
„Die bisherigen Klimaschutzmaßnahmen für Gebäude senken die Emissionen zu spät und zu wenig“, sagt Julia Bläsius, Direktorin von Agora Energiewende Deutschland. Bläsius verweist dabei auch auf den Bundesrechnungshof, der jüngst die Effizienz der über den Klima- und Transformationsfonds (KTF) finanzierten Maßnahmen in Frage gestellt hat. „Unsere Studie zeigt: Mit einer Umschichtung der Fördermittel kann die Bundesregierung deutlich mehr Emissionseinsparungen und sozialen Ausgleich erreichen als bisher.“ Die derzeitige Förderstruktur lasse Chancen für den Klimaschutz ungenutzt: „Für den Erfolg der Wärmewende ist es entscheidend, dass die Gebäudeförderung gezielter eingesetzt wird. Kürzungen, wie im Haushaltsentwurf für 2026 vorgesehen, senden allerdings das falsche Signal – sowohl an Haushalte als auch an Handwerk und Bauwirtschaft.“
Förderung umschichten – und damit mehr CO2 einsparen
Kern einer effizienteren Förderkulisse ist laut der Agora-Studie, dass der Staat gezielt die klimaneutrale Modernisierung von sehr ineffizienten Gebäuden und besonders bedürftige Haushalte unterstützt. Dafür ist eine konsequente Staffelung der Fördersätze für Sanierung und Heizungstausch nach Einkommen erforderlich. Zugleich braucht es einen verbesserten Zugang zu günstigen Krediten oder Leasingprogrammen von klimaneutralen Heizungen für Hausbesitzerinnen und -besitzer mit kleinem Einkommen. Bei den einkommensschwächsten Haushalten kann die Förderrate nahezu 100 Prozent betragen. Die Mittelvergabe über die Bundesförderung Effiziente Gebäude (BEG) sollte entsprechend nicht mehr wie bisher auf einen möglichst hohen Effizienzstandard, sondern auf möglichst große Effizienzgewinne abzielen. „Bei den Häusern, bei denen am meisten Wärme verloren geht, lässt sich mit den gleichen Mitteln mehr für den Klimaschutz erreichen“, betont Bläsius.
Damit Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer ihre Häuser auf klimaneutrale Heizsysteme umstellen können, formuliert Agora drei weitere Voraussetzungen:
- Ausbau der Wärme- und Strominfrastruktur durch die verlässliche Umsetzung der kommunalen Wärmeplanung sowie die schrittweise Stilllegung der Gasverteilnetze
- Erhalt der klaren Erneuerbaren-Vorgaben für den Heizungstausch bei gleichzeitiger Vereinfachung des Gebäudeenergiegesetzes
- Ein attraktives Strom-Gaspreis-Verhältnis. Dies gelingt kurzfristig über Entlastungen bei Stromsteuer und Netzentgelten sowie langfristig vor allem über den konsequenten Ausbau von Wind- und Solarenergie.
Neben einer bedarfsgerechteren Verteilung der Förderung betont Agora Energiewende die Notwendigkeit, Sanierungsanreize für Vermietende zu schaffen und Mietende vor übermäßigen Kostensteigerungen zu schützen. Das lässt sich etwa durch eine zusätzliche Option für Vermietende erreichen: Wenn diese den Kaltmietenanstieg begrenzen, bekommen sie im Gegenzug eine höhere Förderung, die sie nicht mehr an Mietende durchleiten müssen. Individuelle Härtefälle kann der Staat zusätzlich über sozialpolitische Maßnahmen abfedern.
Private Investitionen hebeln und Haushalte mit kleinem Einkommen stärken
Die Agora-Studie simuliert die Investitionsentscheidungen verschiedener Akteure – von Wohnungsunternehmen bis Hauseigentümer:innen – neben dem oben beschriebenen Politikmix-Szenario noch in drei weiteren Varianten: Ein Szenario schreibt die aktuellen Rahmenbedingungen fort („Weiter so“-Szenario), ein weiteres setzt vorranging auf die Wirkung von CO₂-Preisen („Markt“-Szenario), ein drittes erzielt Emissionsminderungen hauptsächlich über ordnungsrechtliche Vorgaben („Ordnungsrecht“-Szenario). Die Simulationen zeigen, dass die Klimaneutralität im Gebäudebereich bis 2045 sowohl bei einem „Weiter so“ als auch im Szenario mit hohen CO₂-Preisen verfehlt wird – denn Hausbesitzer:innen fehlen Anreize für Heizungstausch und Sanierung. Das Szenario mit strengen gesetzlichen Vorgaben erreicht zwar die Klimaziele bis 2045, allerdings zeigt die Agora-Modellierung, dass dies mit hohen Kosten für Eigentümerinnen und Eigentümer verbunden ist.
„Ein ausgewogener Politikmix ermöglicht klimaneutrales Wohnen für alle Haushalte und schafft Planungssicherheit für Heizungshersteller und Handwerk“, sagt Agora-Direktorin Julia Bläsius. Die technologischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wärmewende seien so gut wie nie zuvor. „Die Bundesregierung sollte alle Hausbesitzenden in die Lage versetzen, ihre Immobilie klimaneutral zu modernisieren.“
Die 78-seitige Studie Soziale Wärmewende: Wie Wohngebäude sozialverträglich klimaneutral werden finden Sie zum kostenlosen Download auf www.agora-energiewende.de.
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