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Kommentar
Date
22. Oktober 2021

Den Kostenrucksack abwerfen

Wie ein beihilfefreies EEG den Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt. Ein Blogbeitrag von Sophie Godeffroy, Patrick Graichen und Thorsten Müller (Stiftung Umweltenergierecht)

Beihilfefreies EEG

Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien ist eine der zentralen Aufgaben der neuen Bundesregierung zur Umsetzung der Klimaziele. Mit einer Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hin zu einem beihilfefreien Absicherungsinstrument können Strompreise gesenkt und die Ausbaumengen für Wind- und Solarenergie zügig erhöht werden.

Die Verhandler:innen der neuen Regierungskoalition sind sich einig, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland drastisch beschleunigt werden muss. Als Ergebnis der Sondierungen sollen alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt und zwei Prozent der Landesflächen für die Windkraft an Land ausgewiesen werden. Damit dieser grüne Strom Verbraucher:innen in Haushalten und Industrie auch bald günstig und in ausreichenden Mengen zur Verfügung steht, braucht es eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Agora Energiewende und die Stiftung Umweltenergierecht haben dafür das Konzept eines beihilfefreien, schlankeren EEGs entwickelt. Es erlaubt durch eine neue Finanzierungsarchitektur, die zwischen Bestands- und kostengünstigen Neuanlagen unterscheidet, den Kostenrucksack des alten EEG abzulegen und zugleich den Ausbau neuer Wind- und Solaranlagen deutlich zu beschleunigen, indem komplexe Abstimmungsprozesse zu beihilferechtlichen Vorgaben der Europäischen Kommission entfallen. Auch ist dies der nächste Schritt, das EEG in ein Absicherungsinstrument weiterzuentwickeln. Denn gerade bei den kostengünstigen Wind- und Solaranlagen sinkt die Bedeutung der EEG-Förderung aufgrund von sinkenden Erzeugungskosten, steigender CO2-Preise und eines zunehmend marktlichen Ausbaus. 

EEG I und II zur getrennten Förderung von Bestands- und kostengünstigen Neuanlagen

Kern des Reformvorschlags ist die Trennung in ein EEG I für Bestandsanlagen und kostenintensivere Neuanlagen und ein EEG II für neue, kostengünstige Wind- und Solaranlagen. Die Bestandsanlagen bleiben im Finanzierungssystem des EEG 2021, das aufgrund der Bundeszuschüsse zur EEG-Umlage klar als Beihilfe einzuordnen ist. Die Absicherung kostengünstiger Neuanlagen kann in einem beihilfefreien EEG II erfolgen, das bei der Förderung weiterhin auf kosteneffiziente Ausschreibungen setzt, beim Finanzierungsmechanismus aber dem Urteil des EuGH folgend auf die Struktur des EEG 2012 zurückgreift. Hiermit entfallen die aktuellen Beihilfevorgaben der Europäischen Kommission, die den notwendigen schnellen Ausbau der Erneuerbaren Energien bremsen – unter anderem durch sehr langwierige Genehmigungsverfahren sowie den Mechanismus, die jährlichen Ausschreibungsmengen zu kürzen, wenn nicht genügend Gebote eingereicht wurden.

Der Agora-Vorschlag ermöglicht zugleich, die Förderung der Erneuerbaren Energien vom Strompreis zu lösen. Der „Kostenrucksack“ der Bestandsanlagen könnte abgeworfen werden, indem über Bundeszuschüsse die Umlage im EEG I auf Null gesenkt wird. Die Absicherung des künftigen Ausbaus von Wind und Solar im EEG II verursacht kaum Kosten, gerade bei den aktuellen CO2- und Rohstoffpreisen. Beschränkt man den neuen Finanzierungsmechanismus auf den Ausbau dieser Technologien, ist die verbleibende EEG-Umlage daher ebenfalls nahe Null. Dies zeigen auch neue Berechnungen des Ökoinstituts im Auftrag der Stiftung Klimaneutralität, welche die Höhe einer so gestalteten EEG-Umlage bis 2030 je nach Ausgestaltung auf 0,14 bis 0,47 Cent je Kilowattstunde schätzen. Das Konzept des EEG II ist zudem anschlussfähig zu anderen innovativen Förderkonzepten für Strom aus Erneuerbaren Energien. So ist längerfristig etwa eine Marktprämie vorstellbar in Form von sogenannten Differenzverträgen, auch bekannt unter der englischen Bezeichnung Contracts for Difference (CfD). Das EEG II in Kombination mit Contracts for Difference wäre eine schlankere, entbürokratisierte Form der Absicherung des Erneuerbaren-Ausbaus und somit ein weiterer Schritt zu einem neuen Marktdesign für einen Energiemarkt mit sehr hohen Erneuerbaren-Anteilen. Denn daneben würde eine immer stärker werdende Säule von Erneuerbare-Energien-PPAs entstehen – schließlich sind mit PPAs, wie wir aktuell am Markt sehen, höhere Renditen erzielbar als bei den Contracts for Difference, die bei hohen Börsenstrompreisen auch Rückzahlverpflichtungen der Erneuerbaren-Anlagen bedeuten können.

Nächster Schritt im Marktdesign für den Pfad der Klimaneutralität

Fazit: Ein schlankeres, beihilfefreies EEG für kostengünstige Neuanlagen ist der nächste Schritt zu einem neuen Marktdesign für eine Welt mit 100 Prozent Erneuerbaren. Es kann eine dreifache Wirkung entfalten, indem es Ausbaumengen für kostengünstige, grüne Technologien kurzfristig erhöht, das EEG langsam in ein Absicherungsinstrument umwandelt und eine Senkung der EEG-Umlage auf nahe Null ermöglicht. Die nächste Bundesregierung sollte daher rasch Gespräche mit der EU-Kommission aufnehmen, um mittelfristig ein neues Marktdesign für eine klimaneutrale Stromerzeugung zu etablieren, das Beihilfe-Diskussionen bei Erneuerbaren Energien überflüssig macht.

Für weitere Informationen

  • Patrick Graichen

    Exekutivdirektor (bis Dezember 2021)

  • Sophie Godeffroy

    Projektleiterin Grundsatzfragen (bis Januar 2022)

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