Elektrifizierung und Erneuerbaren-Ausbau: Chinas Emissionsanstieg flacht ab
2024 verzeichnete China einen deutlich geringeren Anstieg der Emissionen als im Vorjahr, im ersten Quartal 2025 waren diese sogar rückläufig. Damit hat der Ausbau Erneuerbarer Energien erstmals den CO2-Ausstoß des Landes gesenkt. Das zeigt eine Studie von Agora Energy China und Agora Energiewende.

Chinas CO2-Emissionen sind 2024 nur um 0,7 Prozent gestiegen, was einen deutlich langsameren Anstieg im Vergleich zu 4,5 Prozent im Vorjahr darstellt. Das zeigt eine neue Analyse von Agora Energy China und Agora Energiewende, in der die beiden Organisationen Energie- und Industriedaten aus öffentlich verfügbaren Quellen ausgewertet haben. Zudem sanken die chinesischen Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Gas und Öl im ersten Quartal 2025 um 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – ein Rückgang, der zum ersten Mal in direktem Zusammenhang mit dem rasanten Ausbau Erneuerbarer Energien steht. Allerdings bleibt mit dem 2024 begonnenen Bau neuer Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von 94,5 Gigawatt ein zentraler Widerspruch in der Energiestrategie des Landes bestehen.
Die Veröffentlichung der Agora-Studie fällt in die Vorbereitungsphase der diesjährigen Klimakonferenz. Bis September ist die internationale Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, ihre nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) bis 2035 bei der UN einzureichen. Zudem arbeitet die chinesische Regierung derzeit an ihrem 15. Fünfjahresplan (2026-2030), worin auch zentrale Klimaschutzmaßnahmen enthalten sind. Die Volksrepublik hat sich verpflichtet, vor 2030 den Höchststand der CO2-Emissionen und bis 2060 CO2-Neutralität zu erreichen.
„Als weltgrößter Emittent und globaler Vorreiter beim Ausbau Erneuerbarer Energien spielt China eine zentrale Rolle beim globalen Klimaschutz“, sagte Kevin Tu, Geschäftsführer von Agora Energy China. „Mit Blick auf die rasanten technologischen Entwicklungen könnte China deutlich vor 2030 den Höhepunkt der Emissionen und anschließend schneller das für 2060 angestrebte Ziel der CO2-Neutralität erreichen. Dafür bräuchte es ein umfassendes, sektorübergreifendes Klimaziel, das alle Treibhausgase einbezieht.“
Windkraft- und Solaranlagen übertreffen 2024 erstmals Chinas Kohlekapazität
Der Umbau des chinesischen Stromsystems hin zu Erneuerbaren Energien ist bereits in vollem Gang. Allein im Jahr 2024 hat China eine Rekordmenge von 277 Gigawatt Solar- und 79 Gigawatt Windenergie installiert und damit sein 2030-Ausbauziel für Erneuerbare Energien bereits sechs Jahre früher erreicht. Wind- und Solarenergie machen damit 42 Prozent der gesamten installierten Stromerzeugungskapazität Chinas aus und übertreffen damit zum ersten Mal die Kohlekraft. Die Volksrepublik investierte 2024 fast 625 Milliarden US-Dollar in klimafreundliche Technologien, Energieinfrastruktur und Effizienzmaßnahmen – gut ein Drittel mehr als die EU. In den letzten zehn Jahren ist der Erneuerbare Energien Anteil im Bereich der Energieinvestitionen von 21 auf 37 Prozent gestiegen.
Weiter geht aus dem Agora-Bericht hervor, dass China im Jahr 2024 etwa 46 Prozent der weltweiten Windkraftkapazität und fast 50 Prozent der weltweiten Solarkapazität auf sich vereinte. Das zeigt die globale Bedeutung des Landes beim Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Trotz des Rekordwachstums bei Erneuerbaren produzierten fossile Kraftwerke jedoch immer noch fast 63 Prozent des Stroms in China, wobei allein der Anteil von Kohlestrom 55 Prozent betrug. Der Anteil von Wind- und Solarstrom lag zusammen bei 18,5 Prozent.
„Obwohl Wind- und Solarenergie ein deutlich schnelleres Wachstum verzeichnen als Kohlekraftwerke, decken sie bislang nur einen kleinen Teil des chinesischen Strombedarfs. Das zeigt, wie wichtig entschlossenes politisches Handeln ist: von Maßnahmen zur Verbesserung der Netzintegration Erneuerbarer Energien bis hin zu Strommarktreformen. Nur so kann China sicherstellen, dass das rasante Erneuerbaren-Wachstum zu einem Stromsystem mit Netto-Null-Emissionen führt“, so Tu.
Die Industrietransformation schreitet voran, erfordert aber stärkere politische Flankierung
Ein wichtiger Gradmesser für den Fortschritt der Transformation ist Chinas Energieintensität[1]. Diese sank 2024 um 3,5 Prozent, wodurch 130 Millionen Tonnen CO₂ vermieden wurden. Die Entwicklung ist vor allem darauf zurückzuführen, dass chinesische Unternehmen vermehrt klimaneutrale Technologien einsetzen. Allerdings hält auch das Wachstum der Kohlechemie an, was die Dringlichkeit einer Obergrenze für die kohlebasierte Industrieproduktion deutlich macht. Die Industrie ist als größter Verbraucher von Strom und Wärme für über 60 Prozent der Emissionen aus fossilen Energieträgern verantwortlich, eingeschlossen die indirekten Emissionen etwa aus der Stromerzeugung. Elektrifizierung und die emissionsarme Erzeugung von Prozesswärme sind Schlüsselstrategien auf dem Weg zu einer klimaneutralen Industrie.
Die Ausweitung des nationalen Emissionshandels auf Stahl, Zement und Aluminium ist dabei ein wichtiges Instrument für die Industrietransformation, allerdings in der jetzigen Form begrenzt in der Wirksamkeit, aufgrund zu niedriger CO2-Preise und der kostenlosen Zuteilung von Zertifikaten bis 2027, so der Bericht. Für mehr Lenkungswirkung sind daher stärkere Preissignale und Anreize auf der Nachfrageseite notwendig.
„Eine flexiblere Stromnachfrage der Industrie, die sich an dem Angebot von Wind- und Solarenergie orientiert, kann einerseits schneller Emissionen einsparen und andererseits die Stromproduktion durch eine bessere Integration von Erneuerbaren Energien sauberer machen. Dafür sind ambitioniertere Maßnahmen entscheidend, die die Kreislaufwirtschaft fördern und die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten ankurbeln, unterstützt durch einen stärkeren CO2-Preis", so Tu.
Einen sozialgerechten Übergang in den Kohleregionen ermöglichen
Trotz bereits unausgelasteter Bestandsanlagen hat im Jahr 2024 der Bau von neuen Kohlekraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 94,5 Gigawatt begonnen, so viele wie seit 2015 nicht mehr. Über 80 Prozent der Kohleproduktion in China verteilt sich auf vier Provinzen, entsprechend zentral sind diese Regionen für die Energiewende. Daher sind neben einem Genehmigungsstopp für neue Kohlekraftwerke solide Rahmenbedingungen für einen sozialgerechten Übergang unerlässlich.
Die Ankündigung von Präsident Xi Jinping auf einem UN-Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschef:innen im April diesen Jahres, ein umfassendes Klimaziel für das Jahr 2035 zu verabschieden, verleiht Chinas Klimapolitik eine neue Dynamik: „Wenn China diese Chance nutzt und mit kohärenten politischen Maßnahmen untermauert, kann das Land nicht nur die Transformation im eigenen Land beschleunigen, sondern sich damit auch dauerhaft als international anerkannter Anbieter klimaneutraler Technologien aufstellen“, sagt Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks.
Die Analyse „China's energy transition and climate status report“ basiert auf offiziellen Energie- und Industriedaten, ergänzt durch Fachliteratur und Medienartikel. Zu den Quellen gehören das National Bureau of Statistics of China, die National Energy Administration, die National Development and Reform Commission, der China Electricity Council, das CNPC Economic & Technology Research Institute, Sinopec, die China National Coal Association, der chinesische Zoll, die International Energy Agency, die International Renewable Energy Agency, das Energy Institute, der Global Energy Monitor, die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und diverse Medien.
Die Schätzungen der CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen beruhen auf den Standardfaktoren, die von der National Development and Reform Commission veröffentlicht wurden. Die Emissionsschätzungen für industrielle Prozesse basieren auf einer umfassenden Aktualisierung eines Fachartikels zu prozessualen Industrieemissionen in China für den Zeitraum 1990-2000, der bei Nature verfügbar ist.
[1] Energieintensität drückt das Verhältnis von Wirtschaftskraft und CO2 -Emissionen aus. Berechnungen von Agora Energy China zufolge emittierte China 2024 für jeden Dollar seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) rechnerisch rund 0,71 Kilogramm CO2. Um Klimaneutralität zu erreichen, muss das Wirtschaftswachstum vom Treibhausgasausstoß entkoppelt werden.
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