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Format
Pressemitteilung
Date
19. Oktober 2023

CO₂-Preis für Verkehr und Gebäude: Ein sozialverträglicher Übergang zum EU-Emissionshandel

Die Preise für den CO₂-Ausstoß von Gebäuden und Verkehr bilden sich ab 2027 über den europäischen Emissionshandel (ETS II). Dieser löst die aktuell in Deutschland geltenden CO₂-Festpreise ab. Agora Energiewende legt ein Konzept vor, mit dem sich beim Übergang vom nationalen zum europäischen CO₂-Preis sprunghafte Anstiege der Tank- und Heizkosten vermeiden und Entlastungen finanzieren lassen.

CO₂-Preis für Verkehr und Gebäude: Ein sozialverträglicher Übergang zum EU-Emissionshandel

Berlin, 19. Oktober 2023. Mit dem Übergang vom nationalen in den europäischen Emissionshandel (ETS II) bestimmt ab 2027 eine CO₂-Obergrenze die angebotene Zertifikatemenge für den CO₂-Ausstoß von Verkehr und Gebäuden. Diese CO2-Obergrenze ist an den EU-Klimazielen ausgerichtet. Eine neue Analyse von Agora Energiewende zeigt nun, dass durch den Wechsel von einem preis- zu einem mengengesteuerten Marktinstrument zusätzlicher Handlungsbedarf entsteht: Denn künftig wird der Preis für eine Tonne CO₂ im Verkehrs- und Gebäudebereich maßgeblich durch die Nachfrage nach fossilen Energieträgern in diesen Sektoren bestimmt. Je höher diese Nachfrage bis zur Einführung noch ist, desto höher fallen auch die Preise im ETS II aus. Aufgrund der Klimaschutzverfehlungen im Gebäude- und Verkehrsbereich, die der Projektionsbericht der Bundesregierung bis 2030 auf 200 Millionen Tonnen CO₂ beziffert, birgt die Einführung des ETS II daher das Risiko sprunghafter Preisanstiege von Treibstoff- und Heizkosten. Um einen sozialverträglichen Übergang mit moderater Preisentwicklung zu gewährleisten, schlägt Agora Energiewende in einem Drei-Punkte-Konzept vor, den Preispfad für den nationalen Brennstoffemissionshandel anzupassen, die sozialgerechte Rückverteilung der zusätzlichen Einnahmen sicherzustellen und die Emissionsmenge durch zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen im Gebäude- und Verkehrsbereich zu senken.

„Ein gut gestalteter Übergang zum europäischen Emissionshandel II schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem sprunghaften Anstieg ihrer Tank- und Heizrechnungen“, sagt Simon Müller, Direktor der Deutschlandarbeit von Agora Energiewende. Jüngste Studien zeigen, dass ohne weitere Klimaschutzmaßnahmen die Preise 2027 auf mehr als 200 Euro je Tonne CO₂ springen könnten. Das würde zum Jahresanfang 2027 Steigerungen von 38 Cent pro Liter Benzin und rund 3 Cent pro Kilowattstunde Erdgas gegenüber 2026 bedeuten. „Es braucht jetzt ein durchdachtes Konzept, das auch Maßnahmen für den sozialen Ausgleich enthält. Ansonsten landet die Last letztlich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern“, sagt Müller. Ein sozialverträglicher Übergang sei zentral für die Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen.

Anpassung des nationalen CO₂-Preispfads und Rückverteilung der Mehreinnahmen

Der Vorschlag von Agora Energiewende, der in Kooperation mit Agora Verkehrswende entstanden ist, sieht zum einen vor, den Preispfad des nationalen Emissionshandels anzupassen. Um das Risiko sprunghaft höherer Preise abzumildern, soll die moderate Erhöhung der national geltenden CO₂-Preise früher beginnen und gleichzeitig ein Rückverteilungsmechanismus in Kraft treten. Zunächst bedeutet das eine Anhebung des CO₂-Festpreises auf 60 Euro ab 2024 – was beim derzeitigen Benzinpreis von 1,90 Euro pro Liter einem Anstieg von etwa 4 Prozent beziehungsweise 8,5 Cent entspricht. Allein im Jahr 2024 würden so Mehreinnahmen von rund 6,6 Milliarden Euro entstehen – pro Bundesbürger:in stünden damit rund 80 Euro für eine Entlastung zur Verfügung. Hiermit lässt sich sicherstellen, dass die Maßnahme sozialverträglich ist. Bis eine Rückverteilung über ein Klimageld für alle Bürgerinnen und Bürger wirksam werden kann, können Entlastungen etwa über die Senkung der Stromsteuer auf das europarechtlich vorgeschriebene Minimum von 0,1 Cent je Kilowattstunde erfolgen.

Zum anderen, so der Agora-Vorschlag, sollte der Einstieg in die Handelsphase von 2026 auf 2025 vorgezogen werden. Dadurch würden CO₂-Zertifikate bereits ein Jahr früher in Auktionen versteigert, statt wie aktuell zu einem Festpreis angeboten. Dies ermöglicht eine Vorbereitung der marktbasierten Preisbildung im ETS II. Ein Preiskorridor von 60 bis 80 Euro im Jahr 2025 beziehungsweise 90 bis 110 Euro im Jahr 2026 soll auch hier einen sprunghaften Anstieg verhindern. Die daraus entstehenden Mehreinnahmen ermöglichen Pro-Kopf-Entlastungen zwischen 49 und 152 Euro im Jahr 2026 und zwischen 94 und 192 Euro im Jahr 2027. Die vorgeschlagenen Preiskorridore sind vorbehaltlich der Klimaschutzanstrengungen Deutschlands: Sollte der Projektionsbericht der Bundesregierung eine Überschreitung der nach den europäischen Klimazielen zulässigen Emissionsmenge ausweisen, sieht das Agora-Konzept eine Erhöhung der Obergrenze des Preiskorridors um 10 Euro vor. Entsprechend höher fallen dann die Mehreinnahmen für Entlastungen und Rückverteilung aus der CO₂-Bepreisung aus.

Klimaschutzinstrumente funktionieren am besten im Mix

„Damit die CO₂-Preise ihre volle Klimaschutzwirkung entfalten können, sollte die Bundesregierung Verbraucherinnen und Verbrauchern den Umstieg auf die klimafreundliche Alternative erleichtern“, sagt Müller. Ansonsten seien die Möglichkeiten der Menschen, auf den ansteigenden CO₂-Preis zu reagieren, begrenzt. „Wir müssen bei der Ausgestaltung der Maßnahmen auf einen klugen Mix setzen, der den Klimaschutz stärkt und zugleich soziale Belastungen abfedert.“ Es erfordere zusätzliche Anstrengungen, um die Lücke zum Erreichen der Klimaziele im Gebäude- und Verkehrsbereich zu schließen, mahnt Müller. Zum Beispiel beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder bei der Etablierung neuer Optionen für eine einfache Finanzierung der energetischen Sanierung oder des Heizungstausches.

Ein höherer nationaler CO₂-Preis könne zusammen mit gezielten Klimaschutzmaßnahmen früher zu Emissionsreduktionen in Deutschland führen – und damit dazu beitragen, die Zertifikatspreise ab 2027 europaweit niedriger zu halten, so Müller. Deutschland, Frankreich und Italien sind für mehr als die Hälfte der ETS II-Emissionen verantwortlich, Deutschland allein für fast ein Viertel. „Die Bundesrepublik trägt auch eine europäische Verantwortung für wirksamen und europaweit sozialen Klimaschutz“, erklärt Müller.

Die Analyse „Der CO₂-Preis für Gebäude und Verkehr - Ein Konzept für den Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel“ ist in Kooperation mit Agora Verkehrswende entstanden und beschreibt das Drei-Punkte-Konzept im Detail mit zahlreichen Abbildungen und Tabellen. Die 51-seitige Publikation steht unten zum kostenlosen Download zur Verfügung.

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