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Format
Analyse
Date
20. August 2019

Ein Emissionshandelssystem für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche

Praktische Umsetzungsthemen und zeitliche Erfordernisse

Ein Emissionshandelssystem für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche

Einleitung

Die Klimapolitik in Deutschland hat eine entscheidende Leerstelle: Nur die Hälfte der CO2-Emissionen ist Gegenstand einer CO2-Bepreisung, nämlich bei Energiewirtschaft und den energieintensiven Industrien. Für Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft und die restliche Industrie fehlt ein solcher ökonomischer Anreiz zur CO2-Vermeidung.
Klima- und Energieexperten jeglicher Couleur fordern deshalb schon seit langem, dass auch in diesen Sektoren ein CO2-Preis eingeführt werden soll. Dabei stehen zwei marktwirtschaftliche Ansätze zur Auswahl: Emissionshandel oder Besteuerung. Die Vor- und Nachteile der beiden Instrumente werden in der Theorie seit langem diskutiert, auch Mischformen werden vorgeschlagen (z.B. ein Emissionshandel mit Höchst- und Mindestpreisen).
Was allerdings bisher kaum betrachtet wird, ist die Frage der praktischen Umsetzung. Während sie für die Steueroption einfach zu beantworten ist, weil auf die bestehenden Energiesteuer-Strukturen zurückgegriffen werden kann, ist sie im Falle einer Emissionshandelslösung nicht trivial. Vielmehr muss in etlichen Bereichen Neuland betreten werden, und es stellen sich viele Definitions-, Abgrenzungs- und verwaltungstechnische Fragen.
Die vorliegende Analyse des Öko-Instituts untersucht erstmals diese Umsetzungsaspekte. Die gute Nachricht vorweg: Es geht. So gibt es keine unüberwindbaren Hindernisse, die gegen einen Emissionshandel für Gebäude und Verkehr sprechen. Die schlechte Nachricht lautet aber: Es dauert. Die Umsetzungsfragen sind so mannigfaltig, dass hier keine schnelle Einführung, etwa noch im Jahr 2020, möglich ist.

Kernergebnisse

  1. Die Einführung eines Emissionshandels in den Bereichen Gebäude und Verkehr ist verwaltungstechnisch und regulatorisch grundsätzlich möglich, aber sehr anspruchsvoll.

    So müssen in vielen Bereichen neue Regelungen gesetzlich und untergesetzlich geschaffen werden und Tausende zusätzliche Unternehmen verpflichtet werden, ein Überwachungs- und Abrechnungsregime für ihre CO2-Emissionen einzurichten. Wie schon 2005 bei der Einführung des EU ETS, ist zudem auch hier mit einer Klagewelle der Betroffenen zu rechnen, die erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt.

  2. Selbst in der schnellsten Variante dauert die Einführung eines Emissionshandels für Gebäude und Verkehr mindestens 2–3 Jahre. Ein sinnvolles, EU-kompatibles Konzept braucht mindestens 3–4 Jahre.

    Diese Zeiträume ergeben sich u.a. aus den Gesetzes- und Verordnungsverfahren, dem zeitlichen Vorlauf für die europaweite Ausschreibung der Auktionsplattform und der Notwendigkeit der Datenerhebung bei den Verpflichteten. Will Deutschland unilateral seine Sektoren Verkehr und Wärme in den EU-Emissionshandel einbeziehen, dürfte der Zeitraum eher bei über 5 Jahren liegen, da relevante EU-Regelungen geändert werden müssten – umfangreiche Verhandlungen mit der EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten wären die Folge.

  3. Kurzfristig, d.h. noch 2020, ist eine CO₂-Bepreisung für Gebäude und Verkehr nur über eine CO₂-orientierte Energiesteuerreform möglich. Diese kann später in einen Emissionshandel überführt werden.

    So hat die Ökosteuer-Reform nur drei Monate gebraucht zwischen Gesetzentwurf und Inkrafttreten am 1.4.1999. Analoges wäre denkbar für eine CO2-orientierte Energiesteuerreform. Soll diese CO2-Bepreisung im Anschluss in ein Emissionshandelssystem überführt werden, ist dies grundsätzlich möglich. Dabei sollte Sorgfalt vor Schnelligkeit gehen und von Anfang an die europäische Perspektive mitgedacht werden.

Bibliographische Daten

Autor:innen
Dr. Felix Chr. Matthes
Publikationsnummer
159/04-A-2019/DE
Versionsnummer
1.0
Veröffentlichungsdatum

20. August 2019

Seitenzahl
62
Zitiervorschlag
Dr. Felix Chr. Matthes (2019): Ein Emissionshandelssystem für die nicht vom EU ETS erfassten Bereiche: Praktische Umsetzungsthemen und zeitliche Erfordernisse. Erstellt im Auftrag von Agora Energiewende. Berlin, August 2019.
Projekt
Diese Publikation wurde erstellt im Rahmen des Projektes Emissionshandelssysteme für die vom EU-ETS nicht erfassten Bereiche.

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