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Format
Meldung
Date
24. Juli 2013

Nachfragesteuerung im deutschen Stromsystem – die unerschlossene Ressource für die Versorgungssicherheit

Dieser Gastbeitrag des Regulatory Assistance Project (RAP), an dem Agora beratend mitgewirkt hat, geht der Frage nach, welchen Beitrag Nachfragesteuerung für die Energiewende liefern kann und warum dies bisher nur sehr begrenzt erfolgt.

Die Nachfrage nach Elektrizität schwankt sowohl tages- als auch jahreszeitlich. Historisch wurde der physikalische Systemausgleich durch die Anpassung des Angebots, das heißt die Steuerung der Erzeugung erreicht. Um Spitzenverbräuche, die nur wenige Jahresstunden umfassen, nicht vollständig über kaum genutzte Erzeugungseinheiten absichern zu müssen, fand in Deutschland schon vor der Liberalisierung die kostengünstige Variante der Lastreduktion über Abregelungsverträge mit der Industrie Anwendung. Mit der wettbewerblichen Ausrichtung des Energiemarkts und dem Ausbau der erneuerbaren Erzeugung bekommt diese Nachfragesteuerung eine neue Dimension und gewinnt zunehmend an Bedeutung. Steigende Anteile fluktuierender Erneuerbarer Erzeugung stellen neue Herausforderungen an die kosteneffiziente Gewährleistung der Systemsicherheit und erhöhen den Bedarf an Flexibilität. Für den direkten Beitrag zur Versorgungssicherheit müssen diese „Flexibilitätsressourcen“ dem System in Echtzeit zur Verfügung stehen. Das gilt auch für die Nachfragesteuerung. In dem RAP-Papier werden deshalb die Anforderungen der Sicherheit aus Systemsicht kategorisiert und mit den Möglichkeiten der Nachfragesteuerung abgeglichen. An Beispielen aus den Märkten in den USA und Dänemark wird der praktische Beitrag zur Versorgungsicherheit verdeutlicht, der unter anderem in Form einer bis zu zehnprozentigen Bereitstellung der Spitzenlast erfolgt. Weiterhin werden im Rahmen dieser Beispiele die Möglichkeiten für Regelleistungen sowie zur Absorbierung eines zukünftigen erneuerbaren Überschusses erläutert. Die Entwicklung der einzelnen Märkte lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Potenziale der Nachfragesteuerung regelmäßig unterschätzt wurden. Erst klare Anweisungen, Nachfragesteuerung genauso wie Erzeugungseinheiten zu berücksichtigen und zu entlohnen, brachten in den USA den Durchbruch. Auf diesen Erfahrungen aufbauend werden die Möglichkeiten und maßgeblichen Hindernisse für Deutschland identifiziert und Handlungsoptionen zu deren Beseitigung vorgestellt:
  • Nachfragesteuerung braucht ausreichende Einkommensströme für Flexibilität.
    Im heutigen Markt-Design kann Flexibilität keine ausreichenden Einkommen erzielen. Insbesondere die Regelleistung wird über bestehende Grundlastkraftwerke sehr günstig (zusätzlich) bereitgestellt. Auskömmliche Einkommensströme für Nachfragesteuerung sind dadurch in absehbarer Zukunft nicht zu erreichen.
  • Das Design der Netztarife wirkt heute vielfach als Anreiz für Inflexibilität.
    Netzentgelte sollten verursachergerecht sein und keine Fehlanreize bieten. Konkret sollten Netzentgelte für Verbrauchsspitzen abgeschafft werden, wenn diese durch Systemanforderungen für die Versorgungssicherheit verursacht wurden, zum Beispiel durch vorhergehende Lastbegrenzung. Gleichfalls wäre eine Neuausrichtung der enormen Netzentgeltvergünstigungen zu überdenken – bei der Industrie für den gleichmäßigen Verbrauch.
  • Das Redispatch erfolgt heute ohne Einbeziehung der Nachfragesteuerung.
    Das hoheitliche Redispatch mit Entschädigung durch die Systembetreiber betrifft heute nur Erzeuger. Vorgeschaltete wettbewerbliche Mechanismen könnten auch die Nachfragesteuerung einbeziehen.
  • Angebote von Regelleistung sind mit dem Bilanzkreis und mit dem individuellen Liefervertrag des jeweiligen Kunden verknüpft. Dies erschwert die Integration der Nachfragesteuerung durch Spezialisten außerhalb der heutigen Marktrollen, beispielsweise durch Aggregatoren.
    Die Schaffung einer unabhängigen Marktrolle „Dienstleister für Nachfragesteuerung“ könnte die Verknüpfung der Zuständigkeiten aufbrechen. Unter Wahrung der Prognose- und Beschaffungsverantwortung könnte über konsequente Regulierung der interagierenden Marktrollen ein großer Fortschritt erzielt werden. Verträge zum Netz, den Bilanzkreisen und den Lieferverträgen könnten Standards hinzugefügt werden, die eine vereinfachte Erschließung der Nachfragesteuerung ermöglichen.
Impressum Autor: Andreas Jahn, RAP Senior Associate
Grundsatzberatung und Co-Autorin: Meg Gottstein, RAP Principal
Erforschung internationale Beispiele: Sarah Keay-Bright, RAP Associate Für die kritische Durchsicht des Entwurfs geht ein besonderer Dank an Alexandra Langenheld und Markus Steigenberger (Agora Energiewende), Dr. Marisa Mäder (Entelios) und Jürgen Quentin (DUH).

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